Pferde sind erstaunlich sensible Wesen und nehmen deutlich mehr Gefühle wahr, als wir das diesen großen "Ungetümen" in aller Regel zutrauen. Da ein Pferd immer spontan und authentisch auf uns reagiert, können wir viel über uns selbst von ihnen lernen.
Anhand des Wechselspiels zwischen Pferd und Reiter können verborgene Probleme zum Vorschein kommen - man muss die Zeichen nur "lesen" können.
Die Domestikation von Wildtieren begann vermutlich bereits vor ca. 30.000 Jahren mit dem Wolf, der zum Hund domestiziert wurde. Das Pferd stand in der Reihenfolge hinter Rindern, Schafen, Ziegen, Schweinen, Dromedaren und Eseln in der Domestizierung, welche dann vor ca. 5.500 Jahren zuerst in der südrussischen Steppe vollzogen wurde. Erst nachdem man seinen Nutzen als Last- und Zugtier erkannt hatte, wurde es zum Reittier.
Wenn auch durch die Domestikation äußere und innere Merkmalsänderungen geschehen, dürfen wir nicht vergessen, dass elementare Instinkte bestehen bleiben.
Pferde sind immer noch Fluchttiere mit permanentem Fress- und Bewegungszwang, denn innerlich ziehen sie nach wie vor über die Steppe. Der gesamte Bewegungs- und Verdauungsapparat und auch das Herz-Kreislaufsystem sind darauf ausgerichtet.
In ihrem natürlichen Umfeld leben Pferde in einem Herdenverband, in dem die Leitstute und der Leithengst „das Sagen“ haben. Für die heutigen Freizeit- und Sportpferde müssen wir diese Funktion übernehmen.
Allerdings gehen wir häufig mit unserem menschlichen Verständnis von Dominanz und Macht an diese Aufgabe heran, welches ein Pferd niemals verstehen wird. Die Sprache und der Umgang innerhalb einer Pferdeherde sind nicht von der Erwartung an Gehorsam gekennzeichnet, sondern basieren auf Vertrauen und Respekt. Wenn die Herde sich auf den Leithengst und / oder die Leitstute nicht verlassen kann, ist sie verloren. Wenn umgekehrt die Leittiere bemerken, dass ein Herdenmitglied „aus der Reihe tanzt“, wird dieses Verhalten unterbunden, da es die gesamte Herde gefährden könnte. Hierbei handelt es sich um Erziehungsmaßnahmen, die von den Herdenmitgliedern akzeptiert werden, weil sie dem Leittier vertrauen.
Eine echte Führung kann immer nur aufgrund von Respekt und Vertrauen stattfinden.
Wer folgt beispielsweise willig einem Vor-Gesetzten, der nur vor-sitzt, sich aber keinerlei Respekt verdient hat? Wenn aber die nötige respektvolle Basis da ist, vollzieht sich die Akzeptanz der Führung aufgrund von Vertrauen fast von alleine.
In diesem Punkt sind Pferde uns erstaunlich ähnlich.
Sie brauchen also keine Dominanz im Sinne von blindem Gehorsam. Wir müssen uns unseren Respekt verdienen, indem wir echte Führungsqualitäten entwickeln und zeigen, dass unser Pferd uns blind vertrauen kann.
Wenn wir auch in der Rangordnung unserem Pferd gegenüber weit oben stehen müssen, ist dieser Punkt aber nicht der alleinig entscheidende, damit die Beziehung miteinander funktioniert. Ein Pferd als soziales Wesen will sich mit uns in einem Herdenverband zusammenschließen und uns gerne folgen, wenn wir ihm das Gefühl geben können, dass es uns vertrauen kann.
Die Basis all dessen ist das Verständnis und Wissen um die Verständigung von Pferden untereinander. Jeder Pferdebesitzer und auch jeder, der mit Pferden umgeht, sei dazu angehalten, sich mit der „Sprache“ der Pferde zu beschäftigen.
In aller Regel und im Alltag sind Pferde sehr leise Tiere. Ab und zu hört man ein Schnauben, ein Prusten oder auch mal ein leises Bubbern. Nur bei Aufregung wiehern sie laut oder quietschen sich auch schon mal an.
Anhand des Gesichtsausdrucks, der Körperhaltung und der Bewegungen können Pferde untereinander Stimmungen ausdrücken und ablesen.
Dieses tun sie auch bei uns.
Gehen wir verunsichert und ängstlich auf das Pferd zu, wird es kein Vertrauen in uns setzen können und uns nicht so leicht folgen wollen. Begegnen wir dem Pferd umgekehrt aggressiv oder auch nur genervt, werden wir es eher in die Flucht schlagen. Von daher ist es wichtig sich selber und sein Verhalten dem Pferd gegenüber zu hinterfragen und zu prüfen, was das Pferd in uns „lesen“ kann.
Bei der Arbeit mit dem Pferd und dem Reiter aus ganzheitlicher Sicht darf der Aspekt des Umgangs miteinander natürlich nicht außer Acht gelassen werden. Wir betrachten demzufolge auch genauer, was es mit einer geäußerten „Unwilligkeit“ auf sich hat. Wir sehen nicht nur die reine Widersetzlichkeit, dass das Pferd beispielsweise nicht still stehen bleiben will, sondern wir betrachten die Gesamtumstände.
Die Frage nach dem WARUM eines „Ungehorsams“ ist eine sehr entscheidende und geht selbstverständlich über die reine körperliche Fragestellung hinaus.